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Warum ein Wirtschaftsprüfer kein Commissaire aux comptes ist

Unterschiede zwischen einem Wirtschaftsprüfer (WP) in Deutschland und einem Commissaire aux Comptes (CAC) in Frankreich, in der Ausbildung, den Aufgaben und der Berufsregulierung:

1. Unterschiede zwischen einem Wirtschaftsprüfer (WP) in Deutschland und einem Commissaire aux Comptes (CAC) in Frankreich

1.1 Berufsbezeichnung und Ausbildung

  • In Deutschland wird der Titel „Wirtschaftsprüfer / Wirtschaftsprüferin“ (WP) auf Antrag nach bestandenem Wirtschaftsprüferexamen durch die Wirtschaftsprüferkammer vergeben. Die klassische Ausbildung erfolgt meist über ein BWL- oder juristisches Studium mit Schwerpunkt Rechnungswesen/Steuern, gefolgt von einer mehrjährigen Praxiszeit und einer mehrjährigen Vorbereitung auf das anspruchsvollen Wirtschaftsprüferexamen.
    Steuerberater und vereidigte Buchprüfer können eine verkürztes Wirtschaftsprüferexamen ablegen. Ebenso sind den letzten Jahren durch akkreditierte Studiengänge neue Ausbildungswege zum Wirtschaftsprüfer entstanden.
  • In Frankreich ist der Commissaire aux Comptes (CAC) eine spezifische Berufsbezeichnung, die nach einem Masterabschluss in Rechnungslegung oder Wirtschaftsprüfung sowie einer praktischen Ausbildung mit einer Abschlussprüfung erlangt wird. Die Ausbildung erfordert ein „Diplôme d’Expertise Comptable (DEC)“, das durch eine mehrstufige Prüfungsstruktur und ein dreijähriges Berufspraktikum erreicht wird.

1.2 Tätigkeiten

  • Der deutsche Wirtschaftsprüfer (WP) hat eine breite Palette an Aufgaben. Er darf freiwillige und gesetzliche Jahresabschlussprüfungen nach HGB oder IFRS durchführen, Unternehmensbewertungen sowie steuerliche sowie betriebswirtschaftliche Beratung leisten…
  • Der französische Commissaire aux Comptes hingegen hat eine ähnliche Funktion wie der deutsche Wirtschaftsprüfer, darf aber keine Steuerberatung durchführen. Diese Aufgabe übernimmt der Expert-Comptable, der auch Buchhaltungsdienstleistungen anbietet.

1.3 Berufliche Regulierung

  • In Deutschland ist der Beruf des Wirtschaftsprüfers durch Wirtschaftsprüfungsgesetz (WPO) geregelt. Die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer und insbesondere als gesetzlicher Abschlussprüfer unterliegt der Berufsaufsicht durch die Wirtschaftsprüferkammer und die Abschlussprüferaufsichtsstelle. Wirtschaftsprüfer die gesetzliche Abschlussprüfungen durchführen müssen diese Tätigkeit vorher anzeigen und unterliegen einer erweiterten Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle. Für andere Prüfungen und Beratungsleistungen gelten weniger restriktive Vorschriften.
  • In Frankreich erfolgt die Regulierung durch die Compagnie Nationale des Commissaires aux Comptes (CNCC), die die Abschlussprüfer überwacht, während die Ordre des Experts-Comptables (OEC) für Steuerberater und Buchhalter zuständig ist. Beide Berufsgruppen unterliegen strengen ethischen und beruflichen Standards.

1.4 Prüfungspflicht

  • In Deutschland unterliegen insbesondere kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie mittelgroße und große Kapitalgesellschaften oder vergleichbare Gesellschaften der gesetzlichen Prüfungspflicht. Diese gesetzliche Prüfung müssen durch einen als gesetzlichen Abschlussprüfer registrierten Wirtschaftsprüfer durchgeführt werden.
  • In Frankreich besteht eine Prüfungspflicht für alle Gesellschaften, die bestimmte Umsatz-, Bilanz- oder Mitarbeitergrenzen überschreiten, sowie für bestimmte Branchen und gemeinnützige Organisationen. Eine Pflichtprüfung durch einen Commissaire aux Comptes ist nur für größere Unternehmen notwendig, während kleinere Unternehmen weniger strenge Vorschriften haben.

Während der deutsche Wirtschaftsprüfer sowohl Abschlussprüfer als auch steuerlicher Berater sein kann, sind in Frankreich diese Aufgaben strikter getrennt: Der „Commissaire aux Comptes“ prüft Abschlüsse, während der „Expert-Comptable“ Buchhaltung und Steuerberatung übernimmt. Die Ausbildungssysteme sind ebenfalls unterschiedlich, aber beide Berufe erfordern eine lange und anspruchsvolle Qualifikation.

2. Unterschied in der öffentlich-rechtlichen Stellung des WP in Deutschland und des CAC in Frankreich

2.1 Wirtschaftsprüfer in Deutschland

  • Der Wirtschaftsprüfer (WP) in Deutschland wird vom Unternehmen beauftragt, übernimmt jedoch mit der gesetzlichen Abschlussprüfung eine hoheitliche Aufgabe.
  • Da er die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung im öffentlichen Interesse überprüft, hat seine Tätigkeit bestimmte Elemente vergleichbar eines „Beliehenen des Staates“. Dies bedeutet, dass er eine staatlich anerkannte Prüfungsbefugnis besitzt und hoheitliche Aufgaben ausführt, ohne ein Beamter zu sein. Gleichwohl unterliegt die Berufsausübung den zivil und nicht die öffentlichen Rechtsvorschriften. Die Berufsaufsicht erfolgt durch die Wirtschaftsprüferkammer (WPK) und die Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS).

2.2 Commissaire aux Comptes (CAC) in Frankreich

  • Der Commissaire aux Comptes (CAC) hat eine ähnliche Rolle wie der deutsche WP, ist jedoch kein staatlich Beliehener. Er handelt zwar im öffentlichen Interesse, sein Status ist jedoch eher mit dem eines unabhängigen Gutachters vergleichbar.
  • Dennoch unterliegt er strengen gesetzlichen Pflichten, insbesondere der Meldepflicht bei drohender Insolvenz. Die Berufsaufsicht erfolgt durch die Compagnie Nationale des Commissaires aux Comptes (CNCC).

Der deutsche WP hat eine hoheitliche Funktion als Beliehener des Staates. Der französische CAC eine gesetzlich geregelte, aber privatwirtschaftlicher Rolle, auch wenn er bestimmte öffentliche Pflichten (z.B. Insolvenzmeldepflicht) hat. Der Hauptunterschied in Deutschland ist der WP, Teil eines halb-hoheitlichen Systems, während der CAC in Frankreich stärker als privater Prüfer mit öffentlichen Aufgaben betrachtet wird.

3. Das Auftragsverhältnis und die Bestelldauer des WP in Deutschland und des CAC in Frankreich

3.1 Wirtschaftsprüfer in Deutschland

  • Die Bestellung des Wirtschaftsprüfers (WP) erfolgt in der Regel durch die Hauptversammlung (bei Aktiengesellschaften) oder die Gesellschafterversammlung (bei GmbHs). Anschließend wird er vom Aufsichtsrat oder den gesetzlichen Vertretern beauftragt. Die reguläre Bestelldauer beträgt ein Jahr (§ 318 Abs. 1 HGB). Eine Wiederwahl ist möglich, sodass der WP über mehrere Jahre hinweg dasselbe Unternehmen prüfen kann.
  • Für Unternehmen von öffentlichem Interesse (PIE), wie börsennotierte Unternehmen, Banken und Versicherungen, gilt eine maximale Amtszeit von zehn Jahren. Eine Verlängerung auf 20 Jahre ist möglich, wenn eine öffentliche Ausschreibung durchgeführt wird. Nach Ablauf dieser Zeit ist ein Wechsel des Prüfers verpflichtend (Rotationspflicht gemäß EU-Verordnung Nr. 537/2014).

3.2 Commissaire aux Comptes (CAC) in Frankreich

  • Die Bestellung des Commissaire aux Comptes (CAC) erfolgt im Rahmen einer Pflichtprüfung durch die Hauptversammlung der Aktionäre. In bestimmten Fällen kann auch das Handelsgericht auf Antrag einen CAC bestellen.
  • Die Amtszeit beträgt sechs Jahre (Artikel L. 823-3 Code de Commerce). Nach Ablauf dieser Zeit kann der CAC unbegrenzt wiedergewählt werden.
  • Im Gegensatz zu Deutschland gibt es für reguläre Unternehmen keine verpflichtende Rotation. Für Unternehmen von öffentlichem Interesse (EIP) gelten jedoch ähnliche EU-Regeln wie in Deutschland: Die maximale Amtszeit beträgt zehn Jahre, mit einer möglichen Verlängerung auf 24 Jahre, sofern eine gemeinsame Prüfung mit einem zweiten Prüfer durchgeführt wird.

In Deutschland wird der WP jährlich bestellt, kann aber wieder gewählt werden oder im Falle von Differenzen mit dem Auftraggeber (z. B. Honorar, Ausschreibung, unterschiedliche Bewertungen, Zukunftsprognose) durch einen anderen Wirtschaftsprüfer ersetzt werden. In Frankreich beträgt die Amtszeit des CAC 6 Jahre, was ihm mehr Stabilität, Macht und Rückhalt im Falle von Differenzen gibt. Beide Länder haben für Börsennotierte Unternehmen, strenge Rotationsvorgaben nach EU-Recht.

4. Befugnisse und Verpflichtungen eines WP in Deutschland und eines CAC in Frankreich bei drohender Insolvenz

Bei einer drohenden oder eingetretenen Insolvenz haben der Wirtschaftsprüfer (Deutschland) und de Commissaire aux Comptes (Frankreich) unterschiedliche Verpflichtungen, insbesondere in Bezug auf die Meldepflichten und ihre Rolle im Verfahren.

4.1 Wirtschaftsprüfer in Deutschland

Bei einer drohenden oder bereits eingetretenen Insolvenz hat der Wirtschaftsprüfer (WP) in Deutschland verschiedene Verpflichtungen, die je nach seiner Rolle im Unternehmen variieren:

  • Als Abschlussprüfer einer prüfungspflichtigen Gesellschaft: Erkennt der WP-Hinweise auf eine mögliche Insolvenzgefahr (z. B. Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit), muss er dies im Prüfungsbericht vermerken und den Mandanten entsprechend informieren. Es besteht keine direkte gesetzliche Meldepflicht gegenüber Insolvenzgerichten oder Behörden. Allerdings kann eine Redepflicht gegenüber der Geschäftsleitung oder dem Aufsichtsrat bestehen.
  • Als Berater eines Unternehmens: Wenn er als Berater tätig ist, kann er zivilrechtlich haften, falls er erkennbare Insolvenzgründe nicht an das Unternehmen kommuniziert. Er kann als Berater Empfehlungen zur Sanierung oder Insolvenzvermeidung aussprechen oder Sanierungsprüfungen durchführen.

Als Insolvenzverwalter (wenn bestellt): Falls ein Wirtschaftsprüfer als Insolvenzverwalter ernannt wird, obliegt ihm die Verwaltung der Insolvenzmasse und die Prüfung der Fortführungsfähigkeit des Unternehmens. Der Wirtschaftsprüfer muss auch im Rahmen einer Tätigkeit als Insolvenzverwalter die berufsrechtlichen Vorschriften der WPO beachten.

Wichtige gesetzliche Vorschriften in Deutschland:

  • § 102 WPO: Ein Wirtschaftsprüfer ist zur Einhaltung berufsrechtlicher Sorgfaltspflichten verpflichtet.
  • § 321 HGB: Verpflichtung zur Berichterstattung über Insolvenzanzeichen im Prüfungsbericht.
  • § 15a InsO: Geschäftsführer müssen spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag stellen – ein WP muss auf diesen Umstand hinweisen, ist jedoch nicht selbst meldepflichtig.

Ein Wirtschaftsprüfer in Deutschland muss gemäß § 321 Abs. 1a HGB auf bestandsgefährdende Risiken hinweisen und kann das Unternehmen zur Offenlegung gegenüber den zuständigen Stellen anhalten.

4.2 Commissaire aux Comptes (CAC) in Frankreich

Der Commissaire aux Comptes (CAC) unterliegt im Vergleich zum deutschen WP einer strengeren gesetzlichen Meldepflicht. Meldepflicht bei Anzeichen einer Insolvenz: Erkennt der CAC während einer Abschlussprüfung Anzeichen einer finanziellen Krise (z. B. Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung), ist er verpflichtet, die Geschäftsleitung schriftlich zu warnen („Procédure d’alerte“). Reagiert die Unternehmensleitung nicht angemessen, muss der CAC das Handelsgericht informieren. Diese Meldepflicht ist gesetzlich vorgeschrieben.

Berichtspflichten und Empfehlungen: Der CAC kann Sanierungsmaßnahmen vorschlagen und die Geschäftsführung beraten, hat jedoch keine Entscheidungsbefugnis. Er muss in seinen Prüfberichten potenzielle Risiken für die Unternehmensfortführung transparent machen („Continuité d’exploitation“).

Zusammenarbeit mit Gerichten und Insolvenzverwaltern: Falls eine Insolvenz eintritt, kann das Handelsgericht den CAC als Sachverständigen oder Gutachter heranziehen. Der CAC kann auch dazu beitragen, Betrug oder Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung aufzudecken.

Wichtige gesetzliche Vorschriften in Frankreich:

  • Code de Commerce (Artikel L.234-1 und L.612-3): Verpflichtung des CAC zur Meldung von Insolvenzrisiken.
  • Procédure d’alerte: Verpflichtung, die Unternehmensleitung und das Handelsgericht zu informieren.
  • Verpflichtung zur Meldung von Unregelmäßigkeiten an die Staatsanwaltschaft bei Verdacht auf Betrug oder Missmanagement.

Der größte Unterschied liegt in der Meldepflicht: In Deutschland hat der Wirtschaftsprüfer nur eine indirekte Pflicht, die Geschäftsleitung zu informieren, aber keine Verpflichtung, die Behörden oder Gerichte einzuschalten. In Frankreich ist der Commissaire aux Comptes gesetzlich verpflichtet, Insolvenzanzeichen zu melden – zunächst an die Geschäftsleitung und, falls keine Maßnahmen ergriffen werden, direkt an das Handelsgericht. Das französische System legt also mehr Verantwortung auf den Prüfer, während in Deutschland die Unternehmensleitung für die Insolvenzanmeldung verantwortlich bleibt.

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Jürgen Hüniken